AREFLH-Forum: Regionen und Erzeuger fordern stärkere Stimme in der EU-Politik
Mit deutlichen Appellen an die EU-Institutionen und intensiven Debatten zu den Herausforderungen der europäischen Obst- und Gemüseproduktion ist gestern in Brüssel das zweite Jahresforum der Versammlung der europäischen Gartenbauregionen AREFLH (Assembly of European Horticultural Regions) zu Ende gegangen. Gastgeberin war die Delegation der Region Emilia-Romagna bei der EU, zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Erzeugerorganisationen und Regionen nahmen teil.
Das Forum wurde von Alessio Mammi, Minister für Landwirtschaft und Europäische Angelegenheiten der Region Emilia-Romagna, sowie Ramón Fernández-Pacheco Monterreal, Landwirtschaftsminister Andalusiens und Präsident der AREFLH, eröffnet. Beide forderten die EU auf, den Regionen und Produzenten im politischen Dialog mehr Gehör zu schenken.
In seiner Grundsatzrede warnte Professor Paolo De Castro, ehemaliger Vorsitzender des Agrarausschusses des Europäischen Parlaments, dass der europäische Gartenbau zunehmend unter Druck gerate – insbesondere durch strengere Auflagen im Pflanzenschutz und unfaire Wettbewerbsbedingungen gegenüber Drittländern. Die EU müsse sich international stärker positionieren, sagte De Castro, und sprach sich für eine gegenseitige Anerkennung von Pflanzenschutzmitteln sowie für EU-weit einheitliche Regeln zur Genomeditierung aus. „Die Welt wartet nicht – Europa muss seinen Agrar- und Lebensmittelsektor verteidigen, seine führende Exportindustrie“, so De Castro.
Gemeinsame Agrarpolitik: Kritik an drohender Renationalisierung
Im Mittelpunkt der ersten Diskussionsrunde stand die Zukunft der sektoralen Programme in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Mehrere Rednerinnen und Redner äußerten sich kritisch zum Vorschlag der EU-Kommission, die Mittel in einem gemeinsamen Fonds zu bündeln. Die Europaabgeordnete Carmen Crespo Díaz erklärte, der aktuelle Entwurf müsse „zurück an den Start“. Gemeinsam mit Eric Sargiacomo forderte sie die Kommission auf, die Idee eines Einzelfonds aufzugeben. „Die europäische Verteidigungsstrategie darf nicht auf Kosten der europäischen Landwirte aufgebaut werden“, warnte Crespo.
Auch Sargiacomo sprach sich gegen eine vollständige Übertragung der Zuständigkeiten an die Mitgliedstaaten aus: „Diese Strategie hat sich bereits als Fehlentwicklung erwiesen. Wir fordern mehr Respekt für die Stimme des Parlaments im institutionellen Dialog.“
Für die EU-Kommission betonte Ricard Ramon, dass der neue Mechanismus geteilter Verantwortung mit den Mitgliedstaaten so gestaltet werden solle, dass funktionierende Sektoren – wie Obst und Gemüse – nicht geschwächt würden.
AREFLH-Präsident Fernández-Pacheco Monterreal entgegnete, die GAP verliere durch die geplante Mittelbündelung „ihre Seele“. Die Gemeinsame Marktorganisation (GMO) sei weit mehr als eine Einkommensstütze – sie ermögliche eine gemeinsame Produktionsplanung und kollektive Investitionen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Landwirte in der Wertschöpfungskette.
Auch Arnaud Lécuyer, Vizepräsident der Region Bretagne, schloss sich der Kritik an: Der Vorschlag erhöhe das Risiko wachsender Ungleichheiten zwischen den Regionen. Europa müsse „nah bei seinen Bürgerinnen und Bürgern bleiben“.
Innovation und Pflanzenschutz im Fokus
Der zweite Teil der Konferenz war Innovation und nachhaltigem Pflanzenschutz gewidmet. Produzentenvertreter wiesen auf die Dringlichkeit pragmatischer Lösungen im Umgang mit Pflanzenschädlingen hin. Corrado Finardi, Direktor für Regulierungsangelegenheiten bei CropLife Europe, betonte, dass der Sektor vor einem Wettlauf gegen die Zeit stehe.
Die Diskussion drehte sich um zwei zentrale Themen: den Einsatz neuer genomischer Techniken (NGT) und die biologische Schädlingsbekämpfung. Für die EU-Kommission stellte Sirkku Heinimaa den Stand der Verhandlungen zur NGT-Verordnung vor. Der österreichische Europaabgeordnete Alexander Bernhuber begrüßte den erzielten Kompromiss des Parlaments zum Bericht über die biologische Kontrolle. Priorität müsse es sein, Zulassungsverfahren zu beschleunigen: „Landwirte verlieren kontinuierlich verfügbare Wirkstoffe, während die Genehmigung nachhaltigerer Lösungen bis zu zehn Jahre dauern kann – so viel Zeit haben sie nicht.“
Hr. Braekman, Senior Advisor der Region Flandern, wies darauf hin, dass Forschung zwar essenziell sei, die einheitliche Umsetzung der Pflanzenschutzregeln in Europa jedoch zunehmend nachlasse. Lisa Martini, Vizepräsidentin der AREFLH, unterstrich die Bedeutung der operationellen Programme als „zentrales Instrument, um moderne und nachhaltige Techniken in die Praxis zu bringen“.
Zum Abschluss zog Fernández-Pacheco Monterreal eine positive Bilanz: „Das Forum hat erneut gezeigt, dass es eine dynamische Plattform ist, um konkrete Lösungen zu entwickeln und eine gemeinsame Vision für den europäischen Gartenbau zu stärken.“ Er kündigte an, den konstruktiven Austausch zwischen Regionen, Erzeugern und EU-Institutionen in den kommenden Jahren fortsetzen zu wollen.