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Die Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes und seiner Landesverbände reagieren in einem offenen Brief auf die veröffentlichte Empörung großer Lebensmitteleinzelhandelskonzerne im Zusammenhang mit der Verabschiedung der UTP-Richtlinie im Kabinett. Den Landwirten fehlt jedes Verständnis für das Vorgehen des Lebensmitteleinzelhandels.

In dem Brief heißt es:
'Sehr geehrte Damen und Herren,

die Kontroverse um die Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes und Ihre nun auch öffentlich gewordene jüngste Positionierung gegenüber der Bundeskanzlerin nehmen wir zum Anlass, uns mit diesem offenen Brief an Sie zu wenden. Sie zeigen sich irritiert und erschrocken, beklagen unter anderem Diffamierung und Diskreditierung und fühlen sich in 'ehrabschneidender' Weise behandelt. Wir möchten diesen Empfindlichkeiten die Erfahrungen unserer Bauernfamilien gegenüberstellen, die seit langem unter massivem wirtschaftlichen Druck stehen, der die Arbeitsfähigkeit, Existenz und Nachhaltigkeit vieler Betriebe zerstört hat und die Verbliebenen weiter gefährdet. Dieser Druck geht maßgeblich aus vom Preiswettbewerb in der Ernährungsindustrie, den der Lebensmittelhandel mit seinen Strukturen und seinem Einkaufsverhalten erzeugt und anheizt. Jüngstes Beispiel sind die neuerlichen Preissenkungen der zurückliegenden Woche bei Schweinefleisch, die drastisch über das hinausgehen, was auch in Zeiten von Corona und ASP von Seiten des Marktes angemessen und geboten gewesen wäre. Die Reihe der Beispiele ist lang und wird flankiert von langen Forderungskatalogen des Handels, bei denen die Vergütung höherer Standards und Kosten schlicht nicht vorgesehen ist. Die Folgen dieser langjährigen Fehlentwicklung nicht nur für die Strukturen in der Landwirtschaft sind bekannt und sichtbar: eine ausgeprägte Niedrigpreiskultur, mangelnde Wertschätzung für Lebensmittel und das Aus für viele Betriebe.

Vor diesem Hintergrund fehlt den deutschen Landwirten jegliches Verständnis für die genannten Befindlichkeiten. Die europäische Richtlinie über unlautere Handelspraktiken ist ein erster, zaghafter und aus unserer Sicht unvollständiger Ansatz, die missbräuchliche Nutzung von Nachfragemacht in der Lebensmittelkette einzudämmen. Es ist nicht nachvollziehbar und auch dem kritischen Beobachter nicht vermittelbar, diese Regelung als eine ernsthafte Bedrohung für den deutschen Lebensmittelhandel hinzustellen. Viele der zur Diskussion stehenden Praktiken sind auch nach landläufigem Verständnis tatsächlich unlauter- wollen Sie ernsthaft solche Verhaltensweisen rechtfertigen und Ihre Einkaufspolitik darauf stützen?

Ihre Unternehmen nehmen häufig in Werbung und Marketing für sich in Anspruch, nachhaltig, verantwortungsvoll und mit Rücksicht auf die Wünsche von Bürgern und Verbrauchern zu agieren. Dieser Anspruch bleibt jedoch nur so lange glaubwürdig, wie er nicht in der täglichen Einkaufspraxis konterkariert wird. Wir fordern Sie auf, Ihren selbstgesetzten Anspruch umzusetzen und in einem ersten Schritt grundsätzlich und über den Anwendungsbereich der UTP-Richtlinie hinaus auf die in Rede stehenden unlauteren Handelspraktiken zu verzichten.'